Mitternachtsmessen in der Oberschaffnei Da ich am Gänsberg geboren wurde, war die Oberschaffnei seit meiner frühesten Kindheit zwischen 1960 und 1970 immer präsent. Natürlich kannte ich diese Sießener Schwestern, denen ich ja täglich begegnete. Eine dieser Ordensfrauen war Sr. Wilhelma. Sie war Musiklehrerin. Im Alter von 6-7 Jahren durfte ich bei ihr Flöte lernen, später dann Klavier und zum Schluss noch ein paar Griffe auf der Gitarre. Ich hatte immer samstags um 13 Uhr Klavierstunde. So kurz nach dem Mittagessen war Sr. Wilhelma öfters müde. Deshalb schlief sie auch manchmal beim Unterricht ein. Wenn ich mein Klavierstück gut konnte, „haute“ ich immer, wenn sie eingenickt war, kräftig in die Tasten. Sie zuckte zusammen, wachte auf und zählte sofort den Takt weiter. Konnte ich aber mein Musikstück nicht so gut, wurde ich immer leiser und ließ Sr. Wilhelma ihr Nickerchen machen. So war die halbe Stunde auch schnell vorbei. Natürlich gab es auch jährliche Vorspiele vor den Eltern. Zu diesem Ereignis wurden dann immer besondere Musikstücke ausgewählt, und jeder musste kräftig üben, damit ja kein Fehler bei der Aufführung passierte. Übrigens – Wolfgang Lackerschmid, der bekannte Jazzmusiker aus Ehingen, hatte auch bei Sr. Wilhelma Klavier gelernt. in die Schule zu gehen. Auch die Schwestern hatten keine Probleme mit Andersgläubigen. Aber bei meiner Mutter und im Umfeld meiner Familie spürte ich, dass es positiv empfunden wurde, als evangelisches Mädchen diese damals in gutem Ruf stehende Ausbildung zu bekommen. So sind mir die allmonatlichen Gottesdienste am Herz-Jesu-Freitag in der Kapelle sehr wohl noch in Erinnerung. Als man den Schwestern etwa 10 Jahre später die Berechtigung zum Ausbilden abgesprochen hatte, fand ich es schade. Schneidermeisterin Buck war auch die Vorsitzende des Gesellenprüfungssausschusses der DamenschneiderInnung Ehingen. Zusammen mit der Meister-Beisitzerin A. Möhrle und der Gesellenbeisitzerin Gertrud Möhrle – zufällig Mutter und Tochter – unterschrieb sie im März 1960 meinen Gesellenbrief. Meine Bluse als Gesellenstück Es gab in der Oberschaffnei auch eine Hauskapelle. Dort hielt Benedikt Welser, Priester und geistlicher Studienrat am Gymnasium Ehingen, für die Schwestern immer sonntags eine Messe. Da ich Ministrant in der Stadtpfarrkirche war, durfte ich, wenn die Zeit passte, bei Pfarrer Welser und den Schwestern ministrieren. Ebenso ministrierte dort ein etwas älterer Schüler namens Hanns Schäfer, kurz nur „Scheppas“ genannt, der später selber Pfarrer wurde und heute noch als Seelsorger in Stuttgart-Weilimdorf wirkt. Dieser Hanns Schäfer ministrierte auch immer an Weihnachten in der Mitternachtsmesse, die in der Hauskapelle der Schwestern von Priester Benedikt Welser zelebriert wurde und die von vielen Nachbarn und Freunden der Schwestern besucht wurde, so dass die Kapelle bis auf den letzten Platz gefüllt war. Da war alles sehr feierlich, und die weihnachtliche Musik trug natürlich dazu bei. Zusammen mit Gabi Beck, geborene Häfele, und auch Monika Psik, geborene Stehle, spielte ich dabei Flöte. Marianne Offenwanger, geborene Rechtsteiner, sang solo. Sr. Wilhelma spielte am Harmonium. Auch eine Geige wurde gespielt, vermutlich von Walter Bopp, dem späteren Lehrer, denn er hatte bei Sr. Wilhelma Violinunterricht. Natürlich hatten wir vorher einige Proben, damit auch ja alles klappte. Pfarrer, Schwestern und Gottesdienstbesucher waren vom weihnachtlichen Spiel immer begeistert, und so hatten wir alle immer schöne weihnachtliche Mitternachtsmessen gefeiert. Wolfgang Rothenbacher 36 37 Aber wenn man damals 17 Jahre alt war und eine Lehre hinter sich hatte, bei der man nicht wie heute eine respektable Ausbildungsvergütung bekam, war zunächst Geldverdienen angesagt. Als Schneiderin war der Verdienst nicht allzu groß, also hieß es „in die Fabrik gehen“, das heißt zur Fa. R&A Becker in der „Alten Bierhalle“ in der Fabrikstraße, heute Adolffstraße, um Nachtwäsche im Akkord in Serie zu nähen, und dann am Abend für die Familie oder für Kunden zu Hause nähen. Später folgten bei mir Jahre als Änderungsschneiderin in den Bekleidungshäusern Siessegger, Hohenadel und Kaim, Arbeiten also, für die selbstverständlich auch die Grundlagen von den Sießener Schwestern in der Oberschaffnei gelegt wurden. Friedhelma Betz, geborene Lotterer Mein Gesellenbrief
RkJQdWJsaXNoZXIy MjEzNjQxMg==