Meine Erinnerungen an die Zeit in der Oberschaffnei Schon in meiner Schulzeit war das Fach „Handarbeit“ eines meiner Lieblingsfächer. Da lag es nahe, sich nach der Schulzeit zu einem sogenannten „Nähkurs“ in der Oberschaffnei anzumelden. Dort waren die Sießener Schwestern in verschiedenen Formen des häuslichen Wesens und auch des Musikunterrichts tätig. Unter der Leitung von Schwester Dominica absolvierte ich 1964 zwei dieser „Nähkurse“. Diese setzten sich aus 8 oder 10 Doppelstunden zusammen und fanden immer in den Herbst- und Wintermonaten statt. Ich habe diese Kurse sehr gerne besucht. Sie waren nicht nur bildend, sondern stets lustig und auch unterhaltsam. Meine „Nähkünste“ stammen alle mit aus dieser Zeit, wuchsen allerdings noch durch das Nähen an der Hauswirtschaftlichen Berufsschule. Für meine Freundin und mich war es zusätzlich noch eine Zeit, wo man auch am Abend noch nach 19 Uhr aus dem Haus durfte. Immerhin waren wir in dieser Zeit, 1964, gerade mal 16 Jahre alt, und da war abendliches Ausgehen noch keine Selbstverständlichkeit. So konnten wir diese „Ausgehzeit“ auch ab und zu für ein kleines Stelldichein nutzen – vor oder nach dem Kurs! Ein Winterkostüm mit zwei Röcken, das ich damals unter Anleitung von Schwester Dominica anfertigte, ist heute noch in meinem Besitz. Ich konnte mich nie entschließen, es einer Kleidersammlung für wohltätige Zwecke mit zu geben, obwohl es mir natürlich nicht mehr passt. Gut ist mir aus dieser Zeit auch der Musikunterricht mit Flöte und Klavier in Erinnerung, der von Schwester Wilhelma gegeben wurde. Später wurde von den Schwestern auch eine einjährige Hauswirtschaftsschule angeboten, sowie eine dreijährige Ausbildung zur Schneiderin. Auch Schülerinnen des Gymnasiums kamen in die Oberschaffnei zum Handarbeitsunterricht. Diese wurden von den Schwestern Theonilla und Leonilla unterrichtet, wobei Erstere wohl nicht so beliebt war. Sie muss auch in nicht gerade freundlichem Ton mit ihrer Mitschwester Leonilla umgegangen sein. Sr. Leonilla war wohl die Ältere, aber wohl nicht so ausgebildet im Nähen, so dass sie des Öfteren Sr. Theonilla um Rat fragte. Diese Informationen stammen von ehemaligen Gymnasialschülerinnen. Die Oberin dieser Schwesterngemeinschaft war während des Krieges Sr. Lucia, und sie wohnten damals im Dangelmeier`schen Haus beim Gasthaus „Zur Glocke“, denn die Oberschaffnei war in dieser Zeit hauptsächlich von NS-Organisationen belegt. Nach dem Krieg hatten sie wieder direkt eine Wohnung in der Oberschaffnei. Sr. Luitburga war für die Hauswirtschaftsschule, für Kochen und dergleichen zuständig, und Sr. Dominica außer für Nähen auch für Schnittzeichnen und die Stoffkunde verantwortlich. Bei den Unterhaltungen mit ehemaligen Mitschülerinnen über deren Erinnerungen wird deutlich, dass nicht alle Schwestern „angenehm“ waren, sondern zum Teil sehr „streng“! In meinem Fundus alter Kleider befindet sich immer noch mein erstes Tanzkleid, das Schülerinnen der Schneiderschule angefertigt haben. Auch das Brautkleid meiner Schwester stammt aus dieser Näherei, doch leider ist dieses nicht mehr auffindbar. Diese Ordensschwestern übernahmen auch jährlich die Gestaltung eines Fronleichnamteppichs. Wenn ich mich richtig erinnere, war es der bei der Stadthalle, beziehungsweise bei der „Reißerei“, in Ehingen kurz gesagt: an der „Reiße“. Einige Kommunionkinder durften bei diesem Fronleichnamsfest besonders verzierte Kissen tragen, auf denen Insignien der Kreuzigung, wie Dornenkrone und Nägel, festgenäht waren. Andererseits gab es auch Kissen – und ein solches besitze ich noch –, auf denen ein Lamm als Symbol für Jesus zu sehen war, das über die Schwestern Barbara und Josefine Bloching aus der Schwanengasse in unseren Besitz kam. Gut in Erinnerung sind mir auch die Besuche der Narren in der Oberschaffnei zum Schulaustreiben am Fasnetsdienstag. Ich war als junge Hexe dort noch in den Jahren 1971 und 1972 dabei und habe mich sehr gefreut, die alten Räume wieder zu sehen. Renate Hartmann 38 39 Fronleichnamskissen mit Lamm als Symbol für Jesus
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