Oberschaffnei Broschüre

Kinderschutzbund Ehingen – die Jahre in der Oberschaffnei Seit dem Ende der Siebziger Jahre besuchten wir, eine kleine Gruppe Frauen aus Ehingen, türkische Familien in ihren Wohnungen; wir waren ausgerüstet mit Spiel- und Bastelsachen und hatten unsere Kinder im Schlepptau. In den türkischen Familien spielten, bastelten und sangen wir mit den Kindern und auch mit den interessierten Müttern. Nur: es kamen immer mehr Kinder, auch aus Nachbarhäusern; es fehlte uns einfach an Platz. Eine Lösung musste her. Wir schlossen uns dem Ulmer Kinderschutzbund an und suchten, unterstützt von der damaligen Gemeinderätin Gerlind Eickhoff, das Gespräch mit dem damaligen Ehinger Oberbürgermeister Wilfried Henger. Die Stadt Ehingen renovierte für uns daraufhin zwei leerstehende Räume im Erdgeschoss der Oberschaffnei und stellte sie dem Ehinger Kinderschutzbund freundlicherweise kostenlos zur Verfügung. Von der Stadtverwaltung kamen ausgemusterte Tische und Stühle aus Kindergärten und Schulen; Mitglieder stifteten zwei Schränke und Regale für Spielsachen. 1981 konnten wir Einladungen, in mehreren Sprachen, an Ehinger Kinder verteilen. Jeden Nachmittag von Montag bis Freitag boten nun hoch motiviert und unbezahlt arbeitende Frauen in der „Spielstube“ gemeinsames Spielen, Basteln und Singen an – bald auch Hausaufgabenbetreuung. An manchen Tagen hatten wir bis zu 30 Kindern – inklusive Kleinkindern mit Windelhosen, und das ohne Wasser im Raum. Zum Abschluss jeden Nachmittags setzte man sich zusammen, um Tee zu trinken und zu singen. Dieses „Ritual“ wird bis zum heutigen Tag beibehalten. Wir Frauen und Kinder freuten uns über eine in jedem Herbst gespendete Kiste Äpfel und über gespendete Spiele. In den Wintern befreundeten wir uns mit den beiden Ölöfen. Im Laufe der Zeit wurden unsere Aufgaben noch umfangreicher. Ab 1991 kamen viele russlanddeutsche Familien nach Ehingen; die Erwachsenen erhielten in einem Obergeschoss der Oberschaffnei DeutschUnterricht; wir betreuten nun deren nicht-schulpflichtige Kinder jeden Vormittag unter der Woche in den Erdgeschossräumen, damit beide Elternteile den VHS-Deutsch-Kurs besuchen konnten. Zu dieser Zeit hatte sich bereits länger ein monatlicher Kleidermarkt etabliert. Jedes Mal wurden für diesen Markt unzählige Bananenkisten mit Kleidern aus dem Keller und sogar vom Dachboden des Hauses in die beiden KiBu-Räume geschleppt und danach auch wieder zurückgeräumt. Viele einheimische und ausländische Familien fanden hier günstig Bekleidung. 48 49 Texte. Dazu wurden die Schulklassenführungen an Vormittagen immer zahlreicher. Auch besonders empfehlenswerte Bücher für Jugendliche und Kinder mussten zusammengestellt und die Listen dazu geschrieben und gedruckt werden. Die Leser und Ausleihverbuchung, auch die Katalogisierung der neuen Bücher wurden so sorgfältig wie möglich handschriftlich oder mit Ungetümen von Schreibmaschinen erledigt. Eine Sorge wurde immer größer – als die Lesung der Jugendbuchautorin Irmgard Lucht von mehr als 100 Personen besucht wurde, fürchtete man, die Tragfähigkeit der alten Böden könnte Besucher und Regale voller Bücher nicht verkraften. Der riesige Ölofen als Wärmequelle im Bücherparadies wurde zum Problem, als er eine umfangreiche Rußwolke ausstieß und seine schwarzen, fettigen Flocken auf alle Regale verteilte. Damit kamen immer mehr Planungen für einen geeigneteren Platz für die Bücherei der Großen Kreisstadt in den Vordergrund. Die wurde Wirklichkeit – mit dem zwar sehr anstrengenden Umzug aus der alten Oberschaffnei in das eigene Büchereigebäude, erweiterungsfähig und bibliotheksgerecht und von innen und außen äußerst ansprechend, das nun in der Oberen Hauptstraße 32 ein Schmuckstück ist. Damit geht mein im Vergleich zum Alter des würdigen Oberschaffneigebäudes fast unbedeutender Geschichtsabschnitt zu Ende. Ich freue mich auf das neue Erwachen im ersten Bürgerhaus der Stadt Ehingen und schließe mit dem Zitat von Goethe: „Was man nicht nützt, ist eine schwere Last.“ Roswitha Balensiefen Archiv Feger Archiv Feger

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