Oberschaffnei Broschüre

Im Jahreslauf wurden Feste und Ausflüge veranstaltet, die gut ankamen. Ein Ausflug beispielsweise führte bis in den Augsburger Zoo. Infolge des guten Kontakts zu den Eltern „unserer“ Kinder wurden die Mitarbeiterinnen immer wieder um Hilfe bei Behördengängen und anderen Problemen gebeten. Die Mitarbeiterinnen erfuhren von Problemen der Kinder bei Trennung und Scheidung ihrer Eltern; plötzlich sollten die Kinder ihren Papa nicht mehr sehen, weil die Mama das alleinige Sorgerecht hatte und den Kontakt des Kindes zum Vater verhindern wollte. Weil aber Kinder den Kontakt zu beiden Elternteilen brauchen, ließen sich einige Betreuerinnen Anfang der Neunziger Jahre ausbilden, um in den KiBu-Räumen „betreuten Umgang“ anzubieten. Bei dieser Art von Kontakt kann der nicht sorgeberechtigte Elternteil mit seinem Kind an einem neutralen Ort zusammen sein, mit dem Kind reden und spielen. Er ist dabei mit dem Kind nicht allein; immer ist eine Betreuerin dabei. Diese Aufgabe nehmen die Mitarbeiterinnen des Ehinger Kinderschutzbundes nun seit über zwanzig Jahren wahr. Viele glückliche, harmonische Jahre verbrachten wir in unserer „Spielstube“, aber es war doch auch recht eng. Die Stadtverwaltung plante für die Oberschaffnei eine große Renovierung und stellte im Jahr 1996 dem Kinderschutzbund im Erdgeschoss des Alten Konvikts schönere und größere Räume zur Verfügung. Dort bieten wir seitdem auch Hausaufgabenhilfe und – dank einer Küche – auch manchmal gemeinsames Kochen an. Ein schönes Erlebnis hatten die Verfasserinnen dieser Erinnerungen im Sommer 2016: Auf der Straße sprach uns ein Papa mit Kindern an; er war vor Jahrzehnten eines unserer türkischen Spielstubenkinder gewesen; er erinnerte sich daran, dass er bei uns das erste Lied seines Lebens lernte; heute singt er als Papa seinen Kindern gern „Ich bin der dicke Brummbär“ vor. Uli Feger, Brigitte Scheins 50 51 Musik und der Charme alter Mauern Die Oberschaffnei ist neben meinem Elternhaus wohl das Gebäude, das ich in Ehingen über den längsten Zeitraum regelmäßig betreten habe – länger als die Grundschule im Längenfeld und auch länger als das Gymnasium – und zwar als Musikschülerin. Begonnen hat diese Zeit um 1980 mit der so genannten Musikalischen Früherziehung bei Frau Beck. Wir sangen Melodien, klatschten Rhythmen und schlugen mit Holzklöppeln auf die Metallplättchen unserer Glockenspiele. Farbig in großen Notensystemen dargestellte Töne waren den ebenfalls farbig markierten Klangplättchen auf unseren Glockenspielen zuzuordnen. Sehr beeindruckt war ich aber vor allem von den viel größeren Xylophonen, die nur selten benutzt wurden. Man stellte sie auf den Boden und kniete sich dahinter; die Schlegel waren größer als Kochlöffel, mit Baumwolle oder Filz gepolstert, und beim Anschlagen der hölzernen Klangplatten ertönte ein warmer, ruhiger Klang – viel wohliger, als das metallische Scheppern unserer kleinen Glockenspiele, das in den Ohren weh tat, vor allem wenn alle Drei- bis Fünfjährigen der etwa zehnköpfigen Gruppe gleichzeitig auf ihre Instrumente klopften. Stattgefunden hat dieser Unterricht im zweiten Obergeschoss der Oberschaffnei. Der Raum war groß und hell, er hatte zwei Fenster zur Schulgasse und drei in Richtung Gewerbeschule und Zitronengässle. Im selben Raum fand ein Jahr später auch der Blockflötenunterricht statt, den wir ebenfalls in einer Gruppe von etwa acht bis zehn Kindern bei Frau Beck hatten. Eine sehr breite, hölzerne Treppe mit recht niedrigen Stufen, die laut knarrten, führte dort hinauf. Auch die Tür zu unserem Flötenzimmer war übermäßig breit im Vergleich zu denen, die ich aus dem 1970erJahre-Bungalow kannte, in dem ich aufgewachsen bin, und sie schloss nicht richtig – so wie auch alle weiteren Türen zu den anderen Unterrichtsräumen in dem breiten Flur. Aus den Räumen tönten die unterschiedlichen Instrumente: Posaunen bei Herrn Nittka, Klavier bei Herrn Buntz. In der Luft lag der Geruch von Bohnerwachs auf Holzböden und Linoleum. Als ich sechs Jahre alt war und in die Schule kam, begann auch in der Musikschule eine neue Phase. Ich sollte nun Geige spielen lernen, und das fand nicht mehr in einer Gruppe statt, sondern im Einzelunterricht. Mein erster Lehrer hieß Herr Speck; er blieb nur ein bis zwei Jahre, aber trotzdem erinnere ich mich an seine damals wohl modischen Strickpullis, Schlaghosen und den Bart mit extrem breiten Koteletten. Ihm folgte Frau Tappe nach, die später Frau Schmiedel hieß. Sie sprach ganz klares und vornehmes Hochdeutsch und stammte aus der Nähe von Wilhelmshaven, wo ich damals auch zwei Brieffreundinnen hatte, die beide ebenfalls Geige spielten. Archiv Feger Archiv Feger

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